(IP) Ob ein für eine Partei günstigerer, aber nicht kommunizierter Rechenfehler im gerichtlichen Vergleich grundsätzlich eine Pflichtverletzung darstellt, hat das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) Bremen entschieden.

„Das Verschweigen von Tatsachen kann allerdings eine Pflichtverletzung darstellen, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte redlicherweise Auskunft erwarten durfte ... Das wird insbesondere der Fall sein, wenn die eine Seite über einen aufklärungspflichtigen Wissensvorsprung verfügt. Eine vergleichbare Situation lag hier nicht vor. Der „Vorsprung“ der Beklagten bestand allein in ihrer Kenntnis von dem Rechenfehler, die ihrerseits nicht auf eigenen, nur ihr zugänglichen Informationen beruhte. Vielmehr lag die richtige rechnerische Ermittlung gleichermaßen im Verantwortungsbereich beider Parteien, und die Grundlagen hierzu waren beiden in gleichem Umfange zugänglich. Beide Parteien verfügten über das gleiche Wissen und die gleiche Möglichkeit, die Rechnung korrekt vorzunehmen und einen eventuellen Irrtum zu erkennen. Schon aus den genannten Gründen sieht der Senat eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht als gegeben an.“

Die Parteien führten miteinander Erbstreitigkeiten, die mit einem gerichtlichen Vergleich abgeschlossen wurden. Hierin verpflichtete sich die Klägerin u.a., der Beklagten einen Betrag von ca. € 210.000,- zu zahlen. Die Vergleichssumme kam durch einen Berechnungsfehler zustande, indem versehentlich ein bereits an anderer Stelle berücksichtigter Betrag von € 85.000,- zusätzlich addiert worden war. In einer Beratungspause bemerkten die Beklagte und ihre Prozessbevollmächtigte den Fehler, der von den übrigen Prozessbeteiligten unerkannt blieb. Nach der Pause wurde der Vergleich, ohne dass nochmals über Einzelpositionen gesprochen wurde, in inkorrekter Höhe geschlossen, indem das falsche Saldo leicht nach unten abgerundet wurde.

Die Klägerin hatte sich im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckung des Vergleichs gewandt, indem sie geltend machte, der Vergleich sei so auszulegen, wie er ihrer Auffassung nach tatsächlich gemeint gewesen sei; jedenfalls könne sie Vertragsanpassung verlangen. Die Vollstreckung stelle einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung dar und ihr stehe ein Schadenersatzanspruch wegen Verletzung von Rücksichtnahmepflichten zu.

Die Beklagte war dem entgegengetreten und hatte behauptet, einen Vergleich zu einer niedrigeren Einigungssumme hätte sie auf keinen Fall abgeschlossen.

Das Original-Urteil kann hier abgerufen werden:

Hanseatisches OLG Bremen, Az.: 2 U 64/18

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